Die Klimakrise bedroht nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische Gesundheit. Damit rückt sie auch für Psychotherapeut*innen immer mehr in den Fokus. Welche Handlungsmöglichkeiten haben sie für den Umgang mit dem Thema?
Viele Psychotherapeut*innen beschäftigen sich mit den ökologischen Krisen und deren Auswirkungen auf die psychische Gesundheit, auf die Berufsausübung und auf das gesellschaftliche Miteinander. Die Nichtregierungsorganisationen „Psychologists for Future“, „Health for Future“ und die Allianz für Klima und Gesundheit (KLUG) tauschen dazu regelmäßig ihre Erfahrungen aus und erarbeiten Handlungsmöglichkeiten für den Umgang mit diesen Entwicklungen.
Das Thema ist auch in unseren berufsständischen Gremien angekommen: 2019 forderte der Gesprächskreis II (GKII) politisches Handeln zum Klimaschutz. Der Deutsche Psychotherapeutentag (DPT) stimmte 2021 eine Resolution ab, die die Klimakrise als eine Krise psychischer Gesundheit hervorhob – wie etwa nach der Flutkatastrophe im Ahrtal deutlich wurde.
Im Jahr 2022 wurde die Musterberufsordnung ergänzt: Der Erhalt ökologischer Lebensgrundlagen ist nun Bestandteil unserer beruflichen Verantwortung. Und seit 2025 bietet die Bundespsychotherapeutenkammer eine umfassende Fortbildung zum Thema Klimakrise und psychische Gesundheit für Psychotherapeut*innen an.
Change Agent werden
Wegen dieses sich aus unserer Berufsordnung ergebenden Auftrags blicken wir mit Sorge auf Äußerungen von Politikvertreter*innen, die für den Rückbau von Klimaschutzmaßnahmen plädieren.
Der Expertenrat für Klimafragen - ein unabhängiges Gremium, das die Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung regelmäßig hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und sozialen Verteilungswirkung betrachtet – warnte kürzlich, dass Deutschland seine Klimaziele ab 2030 verfehlen könnte. Das wäre verheerend, denn Deutschland ist einer der zehn größten Emittenten klimaschädlicher Gase weltweit – obwohl hier nur gut ein Prozent der Weltbevölkerung lebt. Damit drohen mehr und stärkere klimabedingte Krisen, die auch die psychische Gesundheit beeinträchtigen und bedrohen.
In diesem komplexen und konflikthaften Veränderungsprozess stellt sich für Psychotherapeut*innen die Frage, wie unser Berufsstand effektiv wirksam werden kann. Kora Kristof empfiehlt in ihrem Buch “Wie Transformation gelingt” (2020) eine systemische Analyse: klare Ziele setzen, Verständnis für gesellschaftliche Dynamiken und Hebelpunkte erlangen und möglichst zu umsetzbaren Lösungen kommen.
Nach Kristof gibt es verschiedene Rollen in Transformationsprozessen: Fach-, Macht-, Prozess- und Beziehungspromotor*innen. Psychotherapeut*innen können besonders gut als Beziehungspromotor*innen wirken – mit Netzwerkwissen und Kompetenzen in Kommunikation und Konfliktlösung. Ihre Fähigkeiten sind hier essenziell, da herkömmliche politische Aushandlungsprozesse bei der Klimafrage oft versagen. Bestehende Akteure – Politik, NGOs – können unsere Unterstützung brauchen, um wieder wirksam zu werden.
Konkret heißt das: Psychotherapeut*innen können lokale Veränderungsprozesse, etwa in Energie-, Verkehrs- oder Agrarwende, aktiv mitgestalten – als Vermittler*innen und Brückenbauer*innen zwischen Interessengruppen.
Klimaschutz ist Gesundheitsschutz
Psychotherapeut*innen genießen als Gesundheitsfachkräfte hohe Glaubwürdigkeit. Unter anderem Howard et al. (2023) schlagen daher vor, dass ihre Kommunikation zu ökologischen Krisen immer auch gesundheitliche Folgen und die Vorteile von Klimaschutz benennt – verbunden mit konkreten Handlungsmöglichkeiten. Gut erzählte Narrative schaffen zudem Verbindungen, überwinden Apathie und geben Hoffnung. Emotionen wie Wut, Hoffnung und Solidarität können Veränderung antreiben. Erfolgsgeschichten zeigen, dass auch Einzelne einen Unterschied machen können.
Um Gesundheitsfachkräfte in ihrem Klimahandeln und der Kommunikation darüber zu stärken, wurde von der Planetary Health Alliance der Hippokratische Eid neu aufgesetzt und auf den Schutz der planetaren Gesundheit erweitert: „Ich verpflichte mich, mein Leben dem Schutz der natürlichen Systeme zu widmen, von denen die menschliche Gesundheit abhängt.“ Solch ein öffentlich vorgetragenes Bekenntnis kann das Gemeinschaftsgefühl stärken, macht die formulierte Norm sichtbar und regt Kolleg*innen zur Nachahmung an.
Ähnlich normgebend wirkt auch ein Beitritt zum Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty. Die Forderung nach einem rechtlich verbindlichen, global geltenden Vertrag zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe wurde vom Deutschen Pflegerat, der Bundesärztekammer und der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit initiiert. Inzwischen sind bereits tausende Gesundheitsorganisationen beigetreten.
Psychische Resilienzförderung für alle zugänglich machen
Die anstehenden gesellschaftlichen Veränderungen - egal, ob sie als Großschadensereignis, als gesellschaftliches Konfliktgeschehen oder als gesteuerter Veränderungsprozess daherkommen - erzeugen Verunsicherung, psychische Belastungen und erfordern Anpassungsvermögen.
Es ist absehbar, dass diese neuen Belastungen die Kapazitäten unserer bisherigen Versorgungsstrukturen übersteigen werden. Daher ist es nötig, sich für Formate der Resilienzförderung einzusetzen, die möglichst allen Menschen niedrigschwellig zugänglich sind und einen gesunden Umgang mit starken Gefühlen fördern und die Verbindung der Menschen untereinander verbessern.
Ressourcen aufwenden angesichts der dringlichen Notlage?
In Anbetracht der aktuellen gesellschaftlichen Notlage sollte jeder und jede von uns rund 10 bis 20 Prozent der eigenen Arbeitszeit für Aktionen, Projekte, Vernetzung, Moderation und Mediation politischer Prozesse einbringen.
Viele der Aufgaben, die wir als Psychotherapeut*innen umsetzen können, werden (noch) nicht bezahlt. Diejenigen unter uns, die sich dem Thema wegen der Dringlichkeit der Lage intensiv gewidmet haben, investieren ihre Energie und Zeit bereits in diesem Umfang. Dies bedeutet einen Verzicht auf Einkommen, vergrößert jedoch das Sinnerleben und das Gemeinschaftsgefühl. Es gibt viel Neues zu lernen, und das Engagement ermöglicht, realitätsbezogen zu leben.
Wenn Handeln möglich erscheint, stiftet das Hoffnung
Neben den in diesem Artikel genannten Möglichkeiten gibt es auf der Webseite „Das kannst Du tun“ weitere Inspirationen zum Aktivwerden zu finden.
Wenn uns Handeln möglich erscheint, beginnen wir, uns von den Umständen weniger überfordert und eher animiert und herausgefordert zu fühlen. So entsteht ein Aktivwerden und die Möglichkeit, die aktuellen Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Dies stiftet Hoffnung.
Autorin: Katharina Simons
Katharina Simons ist Psychologische Psychotherapeutin und Sprecherin der Klima AG der PtK Berlin.