Angststörungen, Depressionen, aggressives Verhalten: Klimabezogene Sorgen führen zu psychischen Belastungen, die in der psychotherapeutischen Versorgung in Deutschland immer sichtbarer werden. Im Rahmen der Veranstaltung "Auftreten und Umgang mit klimawandelbedingten Sorgen in der Psychotherapie" wurden im Mai in der PtK die Ergebnisse einer Befragung unter Psychotherapeut*innen zu diesem Thema vorgestellt und hilfreiche therapeutische Interventionen diskutiert.
Rund die Hälfte der Psychotherapeut*innen, die Patient*innen mit Sorgen rund um den Klimawandel betreuen, fühlt sich nicht ausreichend über geeignete psychotherapeutische Strategien für diese Problematik informiert. Das zeigt die Auswertung einer bundesweiten Online-Befragung zum Auftreten und Umgang mit klimawandelbedingten Sorgen in der Psychotherapie, zu der die PtK Berlin am 14. Mai 2025 eine Online-Veranstaltung anbot.
Katharina Trost von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt stellte bei der im Rahmen der Fortbildungsreihe „Wissenschaft trifft Praxis“ konzipierten Veranstaltung die von ihr und weiteren Kolleg*innen im Journal BMC Psychology veröffentlichte Umfrage unter 573 Psychotherapeut*innen zum Thema vor. Der Abend, der von der PtK Berlin in Zusammenarbeit mit der Sprecherin der AG Klima, Katharina Simons, durchgeführt wurde, bot zudem Raum zum Austausch, wie in der psychotherapeutischen Praxis mit klimawandelbezogenen Sorgen umgegangen werden sollte. Die Teilnahme von 230 Mitgliedern der PtK Berlin zeigte, wie groß das Interesse an diesem Themenfeld ist.
Fast dreiviertel der Psychotherapeut*innen mit klimawandelbedingten Anliegen konfrontiert
Dass der Klimawandel zunehmend psychische Belastungen verursacht, die in der Psychotherapie thematisiert werden sollten, zeigt die von Trost und ihren Kolleg*innen veröffentlichte Umfrage „Climate change-related concerns in psychotherapy: therapists’ experiences and views on addressing this topic in therapy“ deutlich: Insgesamt 72 Prozent der befragten Psychotherapeut*innen gaben an, mit klimawandelbedingten Anliegen konfrontiert zu sein, 41 Prozent berichteten von Patient*innen, die explizit deshalb Hilfe suchten.
Die betreuten Patient*innen waren überwiegend junge Erwachsene im Alter zwischen 19 und 34 Jahren mit höherem Bildungsniveau. Am häufigsten wurden Depressionen, Anpassungsstörungen sowie generalisierte Angststörungen diagnostiziert. Etwa 80 Prozent der befragten Fachkräfte waren überzeugt, dass Sorgen rund um den Klimawandel bei Betroffenen zu erheblichen funktionellen Einschränkungen führen können.
Großer Bedarf an Informationen und Schulungen
Die Umfrage verdeutlicht auch, dass der Bedarf nach psychotherapeutischen Strategien groß ist: Zwar gaben 79 Prozent der Befragten an, dass sie sich durch ihre therapeutischen Fähigkeiten ausreichend auf den Umgang mit entsprechenden Themen vorbereitet fühlten. Dennoch wünschten sich 50 Prozent diesbezüglich mehr Informationen und Schulungen. Therapeut*innen sehen in klimabezogenen Sorgen ein potenziell beeinträchtigendes Thema, das validierend behandelt werden sollte.
Die Studie wurde zwischen Februar und April 2023 als bundesweite Online-Querschnittsbefragung unter approbierten sowie in Ausbildung befindlichen Psychotherapeut*innen durchgeführt. Alle psychotherapeutischen Richtlinienverfahren in Deutschland – also Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologie, Psychoanalyse, Systemische Therapie waren vertreten. Die Psychotherapeutenkammern in acht von zwölf Bundesländern unterstützten die Rekrutierung, zusätzlich wurden Ausbildungsinstitute in allen 16 Bundesländern kontaktiert, um auch Psychotherapeut*innen in Ausbildung einzubeziehen. Ziel war eine möglichst repräsentative Abbildung der psychotherapeutischen Versorgungslandschaft in Deutschland.
Wie umgehen mit Angst, Trauer oder Ohnmachtsgefühlen?
Während die physischen Gesundheitsfolgen des Klimawandels bereits umfassend untersucht wurden, gibt es bislang deutlich weniger Forschung zur psychischen Belastung durch den Klimawandel. Die bisherigen Studien deuten jedoch darauf hin, dass sowohl die akuten Folgen von klimabedingten Veränderungen wie etwa Naturkatastrophen als auch längerfristige Veränderungen wie etwa Dürre und Temperaturanstieg erhebliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben können. Ebenso kann das Bewusstsein für die existenzielle Bedrohung durch den Klimawandel selbst – unabhängig von der konkreten Betroffenheit – emotionale Reaktionen wie Angst, Trauer oder Ohnmachtsgefühle auslösen.
Dabei beschränkt sich das Belastungsempfinden nicht auf junge Menschen: Laut dem Deutschen Alterssurvey zur wahrgenommenen Bedrohung durch den Klimawandel in der zweiten Lebenshälfte schätzt etwa jede vierte Person ab 43 Jahren den Klimawandel als ernsthafte Bedrohung ein. Die Studie zeigt, dass weder Alter noch Einkommen einen signifikanten Einfluss auf die Einschätzung des Klimawandels als Bedrohung hatten.
Integration in Aus- und Weiterbildung und praxisnahe Leitlinien unabdingbar
Die Studienergebnisse verdeutlichen, dass klimabezogene Sorgen in der psychotherapeutischen Praxis in Deutschland keine Randerscheinung mehr sind und häufig im Zusammenhang mit depressiven und angstbezogenen Störungsbildern stehen.
Obwohl bereits verschiedene Leitlinien zum Umgang mit klimabedingten Sorgen in der Psychotherapie existieren, sieht das Forschungsteam um Katharina Trost Verbesserungspotenzial bei entsprechenden Materialien. Es fehlten bislang strukturierte Konzepte, spezifische Interventionsansätze und diagnostische Werkzeuge, um mit klimabezogenen Sorgen gezielt zu arbeiten. Diese Lücke werde besonders vor dem Hintergrund relevant, dass die Auswirkungen des Klimawandels in den kommenden Jahren weiter zunehmen dürften – sowohl real als auch in der öffentlichen Wahrnehmung.
Die Autor*innen fordern daher eine systematische Integration des Themas in Aus- und Weiterbildung sowie die Entwicklung praxisnaher Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung klimabezogener psychischer Belastungen. Auch eine weitergehende konzeptionelle Fundierung der neuen psychologischen Begriffe wie „Klimawandelangst“ oder „ökologische Trauer“ sei notwendig, um diese Phänomene wissenschaftlich zu erfassen und psychotherapeutisch nutzbar zu machen.
Hier geht es zum Vortrag von Katharina Trost von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Zur Studie von Trost et al. „Climate change-related concerns in psychotherapy: therapists’ experiences and views on addressing this topic in therapy“ gelangen Sie hier.
Hier finden Sie den aktuellen Deutschen Alterssurvey vom Deutschen Zentrum für Altersfragen.